Als Sprach- und Gottsucher zählen seine Gedichtbände zur eindrucksvollsten und meistgelesenen spirituellen Poesie unserer Zeit. Dies kommt nicht von ungefähr, denn nach Tätigkeiten als Studentenpfarrer und Leiter eines Priesterseminars trat er in den Orden der "Kleinen Brüder vom Evangelium" ein und arbeitete seither in sozialen Brennpunkten im In- und Ausland. Heute ist er unter anderem in der Gefängnisseelsorge und der Geflüchtetenhilfe in Leipzig aktiv. Deshalb ging auch der Spendenerlös des Abends in den Aufbau der syrisch-christlichen Gemeinde in Leipzig.
Nachdem er zuallererst das Standmikro vom Pult weggezogen hatte um unmittelbar und frei vor dem Publikum zu stehen, legte er in einem weiten Bogen von der Geschichte Israels, über Beispiele aus der Literaturgeschichte bis in unsere heutige Zeit die eigentliche Bedeutung von Erinnerung dar, nicht als ein Schwelgen in der Vergangenheit nach dem Motto, früher war alles besser, sondern als eine Vergegenwärtigung dessen, was uns heute halten kann und trägt.
Anhand der Bruchstellen einer Hostie und in unter die Haut gehenden eigenen wie auch entlehnten Sprachbildern wie zum Beispiel von Leonard Cohen "There´s a crack in everything, that´s how the light gets in" aus dem Lied The Anthem, zeigte er auf, was das in 2 Hälften geteilte eucharistische Brot ganz konkret mit unseren heutigen menschlichen Erfahrungen zu tun haben kann: keine Freundschaft, symbolisiert durch eine nochmals in 2 Teile gebrochene Hostienhälfte, kann alle Bedürfnisse eines Menschen erfüllen. Es bleiben immer noch unerfüllte Bruchstellen. Indem wir uns dessen bewusst sind, vermeiden wir überzogene Ansprüche an unsere Mitmenschen und an uns selbst.
Den Abschluss eines spürbar berührten Publikums bildete Bruder Andreas mit einem seiner eigenen Gedichte:
Eucharistiefeier einer Frau
an einem Abend
bevor Jesus ausgeliefert wurde
nahm Maria
das Gefäß mit Öl
zerbrach es
salbte seinen Leib
und sprach
das ist meine Liebe
vergossen für dich
und diese Geste
bleibt allen
die das Evangelium hören
für immer im Gedächtnis.
(aus: Andreas Knapp, Heller als Licht, Würzburg 2016, 70)
Ein Abend, dessen Worte und Gesten ebenfalls vielen in Erinnerung bleiben werden.
Text: Iris Egger
Fotos: Johannes Junker